Bunt, entschlossen, kämpferisch: Die Bildsprache der jungen Parteiorganisationen

Bildsprache unterstützt nicht nur im kommerzielles Content-Marketing. Nein, auch Bildungseinrichtungen, NGOs, Vereine oder Organisationen mit sozialen, staatlichen oder gesellschaftlichen Aufgaben brauchen eine gute Bildkommunikation, um ihre Adressaten mit ihren Botschaften zu erreichen. Und natürlich nutzt auch die Politik die Bildsprache, um Wähler und Wählerinnen zu überzeugen, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.

Alle Parteien haben eines gemeinsam: Hier stehen vor allem Menschen im Vordergrund – sowohl auf der Seite der Politiker und Politikerinnen als auch auf der Seite der Wähler*innnen. Das Produkt ist in diesem Fall also Vertrauen in die Menschen und die Partei, die man wählt.

Weil Kundin*innen genauso wenig über einen Kamm zu scheren sind, wie Wähler*innnen, ist es wichtig, über die Bildsprache Akzente zu setzen, um sich von anderen Parteien abzuheben. Im Herbst 2021 wurden die Karten nach 16 Jahren Merkel-Regierung neu gemischt und mehrere Parteien kämpften mit Kandidaten um die Nachfolge unserer langjährigen Kanzlerin.

Ich habe mir deshalb die Bildsprache der wichtigsten Parteien angesehen und vergleiche in diesem Beitrag die visuelle Kommunikation der Parteijugend im Herbst 2021 - vor und nach der Wahl.

Die Jugendorganisationen sind nicht nur Nachwuchs für die eigene Parteiorganisation. Nicht selten tragen sie durch ihre nachhaltige Kritik für ein Umdenken in den Parteien – weg von angestaubten Strategien hin zu mehr jugendorientierter Politik.

Jung, frech, selbstbewusst - wie sich der parteinachwuchs zur bundestagswahl 2021 in bildern präsentiert

Eines vorweg …

Es geht hier nicht um die Inhalte, politischen Programme und schon gar nicht um meine politische Einstellung. Ich stelle auch nicht alle zur Bundestagswahl 2021 angetretenen Parteien bzw. deren Jugendorganisationen vor. Und ich beschränke mich in diesem Beitrag nur auf den Online-Auftritt. Denn auf den Wahlplakaten ist selten die Parteijugend eh nie zu sehen. Bei meiner Betrachtung setze ich den Fokus auf den visuellen Auftritt, nicht die Texte und Inhalte.

Die politische Jugend

Interessant finde ich, dass die Jugend offensichtlich wieder mehr Interesse an Politik hat. So stieg die Wahlbeteiligung der 21- bis 29-Jährigen gegenüber dem Vorjahr leicht an. Trotzdem sind sie eine kleine Gruppe, denn durch die demographische Verteilung gibt es einfach mehr ältere Wähler*innen .

Die Parteien widmen sich den Themen der Baby-Boomer und Rentnern. “Bei der Bundestagswahl am 26. September ist deutlich mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten über 50 Jahre alt - nämlich 57,8 Prozent. Die Jungen werden bei Bundestagswahlen prozentual gesehen immer weniger: 1961 waren 19,4 Prozent der Wahlberechtigten unter 30 Jahre alt - inzwischen sind es noch 14,4 Prozent”, berichtet der Bayerische Rundfunk.

Ein Grund mehr, mal den Politiknachwuchs in den Vordergrund zu rücken. Die Reihenfolge der präsentierten Parteien spielt auch keine Rolle und hat keine wertende Bedeutung.

Quelle: statista.de


JUnge union - aufbruch sieht anders aus

Lieblose Klassenfotos

Dafür, dass die Junge Union die meisten Mitglieder und damit auch das größte Budget an Mitgliedsbeiträgen verbuchen kann, wird wohl wenig davon in die Bildsprache investiert. Ich frage mich, würde ich mich als Jugendliche damit identifizieren? Wohl ehr nicht. Aber das ist ja meine Wahrnehmung. Brav, langweilig und ziemlich altbacken (wie wir in Bayern sagen) kommt der visuelle Auftritt der Jungen Union daher. Aus meiner Sicht wurde hier nicht viel Mühe investiert, die junge Wählerschaft mit visuellen Appetithappen an die parteipolitischen Ziele und Diskussionen heranzuführen. In meinen Augen ist die Bildsprache noch konservativer als die Partei selbst.

Quelle: Website der Jungen Union

Quelle: Website der Jungen Union


Junge liberale und grüne
es geht auch frisch und authentisch

Kampfgeist und Dynamik zum “Anfassen”

Die Parteijugend der FDP und der Grünen sprechen die jugendlichen Wähler aus meiner Sicht besser an. Sowohl mit dem gesamten Webauftritt - sehr modern die Schrägen und schrillen Farben - als auch mit ihrer Bildsprache. Da geht es um Kampfgeist, Fortschrittlichkeit, Aufbruchsstimmung und “wir wollen etwas bewegen”. Die Jungen Liberalen zeigen, dass Politik nicht immer nur bierernst sein muss (erstes Beispiel). Ungestellte Close-Ups wie hier bei dem zweiten Beispiel der Jungen Liberalen sagen dem Unterbewusstsein “Hier werde ich auf Augenhöhe ernst genommen, kann mich einbringen, dabei sein, wenn es darum geht zu Diskutieren und etwas zu bewegen”.

Die Jungen Grünen zeigen sich kämpferisch. Da sieht man viele erhobenen Hände, die man schon aus der Bildsprache von Fridays for Future kennt. Trotzdem authentisch, lebendig und motivierend. Damit können sich die nicht nur die Anhänger der Klimaschutzbewegung identifizieren.

Fast sind beide Webauftritte in ihrer Aufmachung und Bildsprache zu ähnlich. Die Abgrenzung findet dann ehr in den politischen Zielen und inhaltlichen Debatten statt. Zum Lesen laden jedenfalls beide Webseiten ein und daran hat die Bildsprache einen großen Anteil.

Quelle: Website der Jungen Liberalen

Quelle: Website der Jungen Liberalen

Quelle: Website der Grünen Jugend

Quelle: Website der Grünen Jugend – Blogpost

Quelle: Website der Grünen Jugend

Quelle: Website der Grünen Jugend – Blogpost


 
Wollen Organisationen und Institutionen Menschen zum Mitmachen und Aufschwung bewegen, muss man das auch auf den Bildern sehen. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für NGOs oder Vereine.
— Angelika Güc, Expertin für Bildsprache
 

der linke flügel: JUSOS und linksjugend im vergleich

Jusos: Eine 2 für die Bildsprache - eine 6 für Ausgewogenheit von Bild und Text

Die Jusos sind in ihrer Bildsprache gut erkennbar. Für soziale Gerechtigkeit auf die Straße gehen, das zieht sich durch die gesamte Website. Handwerklich gut, würde ich sagen, doch ich sehe einfach zu wenig Bilder. Mir sind es zu viele schwere und vor allem lange Überschriften, im Blog fehlen visuelle Elemente, die mich in das jeweilige Thema “hineinziehen”. Da sagt mir mein bequemes Unterbewusstsein “ist mir zu aufwändig, das Lesen ist nicht sehr einladend, lesen wir vielleicht mal später, wenn wir mehr Muse haben.” Auf der Startseite bin ich noch zufrieden, aber desto weiter es in Themen und aktuelle Beiträge hineingeht, sehe ich nur noch “Textwüsten”. Ich wäre da als junger Wähler schnell weg. Die Botschaften kommen also nicht zum Empfänger, wenn keine Bilder locken, sie zu lesen.

Der Webauftritt der Jusos ist ein schönes Beispiel dafür, dass die Ausgewogenheit von Text und Bild ungemein wichtig ist. Nicht nur was Text und Textmenge angeht, sondern auch die Wahl der Schriften, Länge von Überschriften und Teasertexten – alles sollte mit Bildern in einem guten Verhältnis gesetzt sein. Denn wir Menschen sind visuelle Wesen, wir sind es gewohnt, mit Bildern abgeholt zu werden. Die Überschriften der Jusos kommen nicht gerade leicht und dynamisch daher.

Quelle: Website der Jusos

Quelle: Website der Jusos

Quelle: Website der Jusos - Online-Magazin

Quelle: Website der Jusos - Themenauswahl

Junge Linke: Wenig Abgrenzung zu den Jusos bei einem visuellen Vergleich der Website

Betrachtet man den Webauftritt der Linksjugend rein vom visuellen Aspekt her, fällt auf, dass hier viel Ähnlichkeit mit der Website der Jusos ist. Natürlich setzten beide das plakative Rot aus dem Logo ein, aber auch Schriften, die “schwere” Schriftart und Bildsprache sind ähnlich. Auf den ersten Blick sieht man nur in der Farbigkeit der Bildmotive Unterschiede. Bei den Jungen Linken herrschen Schwarz-Weiß-Aufnahmen vor. Um Austauschbarkeit zu vermeiden, sollte beim Aufbau der Bildsprache auch immer das Wettberbsumfeld miteinbezogen werden. Eine eigene Identität in der Bildsprache ist wichtig, damit die eigene Partei oder Organisation ein “eigenes Gesicht” erhält.

Quelle: Website der Linksjugend [’solid]

Quelle: Website der Linksjugend [’solid]

Quelle: Website der Linksjugend [’solid]

Quelle: Website der Linksjugend [’solid]


 

Wie die spannungsreiche Beziehung zwischen Bild und Text gelingen kann, zeigt die Bildsprache der BVG. Und auch hier entdeckt man im Vergleich zu den Münchner Kollegen starke Unterschiede. Entdecken Sie die unterschiedliche Herangehensweise!

 

Mein Fazit: bitte mehr identität wagen!

Visuelle Orientierung für junge Wähler und Wählerinnen ist wichtig

Foto: Angelika Güc

Gerade die junge Generation ist es gewohnt, Bilder zu konsumieren – nicht zuletzt durch den überwiegenden Konsum von Nachrichten über Soziale Medien oder bildlastige Videobotschaften. Und es hat ja auch schon auf ältere Generationen abgefärbt. Auch wir wollen nicht mehr so viel lesen. Das Gehirn kann Bilder ohnehin besser verstehen und auslesen als Text. Darum mein Appell auch für die Parteien: Mehr Aufwand in die Bildsprache stecken, es lohnt sich. Was zuvor nicht fehlen darf, ist eine gründliche Analyse, was die Zielgruppe –in diesem Fall die junge Wählerschaft – sehen möchte. Durch was fühlt sie sich angesprochen? Entspricht der visuelle Auftritt den Erwartungen? Stellt sich ein “Wohlfühlklima” ein?

Je emotionaler ein Thema angegangen wird, desto wichtiger ist der visuelle Auftritt. Wir älteren Wähler und Wählerinnen werden uns sicher nicht so schnell von bunten Bildwelten ködern lassen. Wir haben oft jahrzehntelange Erfahrungen mit den führenden Parteien und ihren Köpfen, ihren Entscheidungen, ihren Fehltritten und der Umsetzung der politischen Ziele. Diese Erfahrung fehlt der Jugend und daher orientiert sie sich ehr an visuellen Botschaften.

Strategische Vorarbeit statt Austauschbarkeit

Insgesamt sehe ich bei der Bildsprache der Parteijugend zu wenig strategische Ansätze. Viel Austauschbares, was natürlich auch von den ähnlichen Schriften, Farben und Aufmachungen der Webauftritte herrührt. Denn hier sind die meisten im Trend, auffällige Farben – die Logofarbe wird geschmückt mit trendigem Neon –und mit plakativen Schriften. Hätte man hier und da etwas mehr Strategiearbeit bei der Entwicklung einer eigenen visuellen Identität gesteckt, wäre das Ergebnis sicher besser gewesen.

Auf den ersten Blick sind die Gründe Jugend vergleichbar mit den Jungen Liberalen, während die Jusos mit der LInksjugend sich bei der Bildsprache in großen Bereichen überschneidet. Interessant ist es, wenn man die Mitgliedszahlen in den Vergleich mit einbezieht. Die hier ehr schlechter aufgestellten Parteien haben in meinen Augen die bessere Bildsprache.

Nicht zurücklehnen - nach der Wahl ist vor der Wahl!

Die Entwicklung der Bildsprache bedarf einer ständigen Anpassung. Es gibt immer wieder Stellschrauben und neue Einflüsse, die den visuellen Auftritt von Organsiationen, Institutionen oder Parteien optimieren können. Unternehmen haben das ehr raus, die arbeiten ständig an ihrem Außenauftritt. Bei den führenden Parteien im Bundestag habe ich manchmal das Gefühl, sie schnaufen erstmal wieder 3 Jahre durch, ehe sie sich auf den nächsten Wahlkampf vorbereiten. Solange zu Warten, das ist aus meiner Sicht ein Fehler. Man könnte Analysieren, die Wähler und Wählerinnen befragen, Testläufe machen, Ausprobieren und Recherchieren.

Es ist wie im Sport: Nie nachlassen, ständig was tun, sonst fällt die Kondition ab und der Anfang fällt schwer. Der strategische und nachhaltige Aufbau einer Bildsprache kann gut in den Phasen ohne Wahlkampf angegangen und trainiert werden. Denn dann braucht es vor der nächsten Wahl nur noch ein Finetuning, ehe man erneut ins Rennen geht.


 

frischer wind für die bildsprache

Sie arbeiten in einer ähnlichen Organisation, NGO, öffentlichem Institut für Politik, Bildung oder andere Themen? Ihre visuelle Kommunikation könnte Optimierung vertragen? Gerade nicht kommerzielle brauchen gutes Handwerkszeug für mehr Sichtbarkeit!

Wann wollen wir loslegen?