Der Flauschfaktor - warum Emotionen in der Bildsprache so wichtig sind.
Flausch – das ist Pudelwohl-Gefühl, Sicherheit, Zufriedenheit, Geborgenheit, der kuschlige Frotteschlafanzug aus der Kindheit. Als die Welt noch voller Pril-Blumen war. Und weil wir uns so gern an diese flauschigen Zeiten zurück erinnern, erobert sie uns im Nu: Die Bildsprache, die dieses Gefühl antriggert. Doch wie gelingt die Umsetzung? Wie steuert man Emotionen an, welche Bildwelten sind hierzu geeignet? Anhand von gelungenen Beispielen zeige ich auf, wie Bildwelten ein Flauschgefühl in uns wecken.
Klar, die Pril-Blumen sind Geschichte und wir müssen gerade durch unsichere Zeiten. Da gibt es kein Entkommen, wir sind Teil dieser Gesellschaft. Bankenkrisen, Gewalt, Terror, Digitalisierung, Putin, Trump & Co, das gehört zu unserem Leben. Wir machen das Beste draus. Die digitale Welt eröffnet uns beispielsweise viele Chancen, nach Informationen zu recherchieren und Zusammenhänge zu hinterfragen. Wir lassen uns nichts mehr vormachen. Vor allem nicht mehr in der Marketingkommunikation.
Marketingprofis steuern in der Bildsprache eventuellen Verbraucher-Ängsten entgegen, setzen mehr auf Emotionen und Gefühlswelten. Siehe da, es funktioniert. Wir sind dankbar und springen auf die Bilder an, die uns in eine positive Stimmung versetzen. Denn in unruhigen Zeiten sehnen wir uns mehr denn je nach Flausch. Der Ausdruck stammt nicht von mir, sondern von meiner Netzwerkkollegin. Liebe Marjeta, ich finde ihn so schön, dass ich ihn mal für diesen Blogbeitrag ausleihe.
Emotionen steuern unser Unterbewusstsein
Unternehmen, die es in der Kundenansprache schaffen Emotionen zu wecken und dabei glaubhaft und vertrauenserweckend rüberzukommen, fliegen unsere Herzen zu. Um uns schnell in eine angenehme Stimmung zu versetzen, eignet sich die Bildsprache zig mal besser als Text. Dabei müssen nicht unbedingt Kindheitserinnerungen aufgewärmt werden. Oft reicht es schon, wenn eine persönliche Note im Spiel ist, das ein bestimmtes Lebensgefühl widerspiegelt. Das Flauschgefühl lässt sich auch mit Bildbotschaften aus der Natur oder Freizeitaktivitäten erreichen. Oder mit Erlebnissen, die wir mögen, die jeder kennt: Ungeplante Küchenpartys. Ein kurzer Flirt im Stau. Warmer Sommerregen.
Und das Schöne ist: Es funktioniert auch, wenn das zu transportierende Thema so rein gar nichts mit den angepriesenen Leistungen zu tun hat. Hauptsache, die Stimmung passt und unser Unterbewusstsein sagt uns, hier ist Wohlfühlklima, hier bleibe ich. Dann fangen wir an, die Texte zu lesen, uns mit Produkten und Dienstleistungen auseinander zu setzen. Die Hypovereinsbank hat beispielsweise schon früh angefangen, eine emotionale Bildsprache zu etablieren. Schon seit langem zeigt die Bildsprache der Hypovereinsbank keine Geldscheine, Schalterhallen oder Banker am Schreibtisch mit schönen, strahlenden Kunden. „Wir wollen Coca-Cola unter den Banken werden", sagte Chefvolkswirt und Kommunikationschef Dr. Martin Hüfner schon 1998 und wußte, dass das am besten durch eine individuelle Bildsprache gelingt.
Emotionen müssen echt sein
„Die Zeiten, Geschichten zu faken oder Emotionen oberflächlich zu inszenieren, sind endgültig vorbei", sagt Christoph Becker, CEO und Kreativchef einer internationalen Werbeagentur in einem Gastbeitrag bei W&V Online. „Heute geht es in der Werbung vielmehr um Ehrlichkeit, Sinn und Relevanz. Die Menschen merken sofort, wenn man sie für dumm verkaufen will. Dabei spielt im Übrigen keine Rolle mehr, ob es um B2C- oder B2B-Werbung geht. “
Wesentliches Fundament des Flauschgefühls ist echtes Vertrauen. Und das gewinnen Unternehmen nicht, indem sie sich hinter beliebig austauschbaren Stockfotos verschanzen. Vielmehr müssen sie Einblicke ins Unternehmen geben. Gerade im Web weiß ich nicht, mit wem ich chatte, wer meine Mailanfrage liest, meine Bestellung bearbeitet. Wir wollen das Unternehmen, die Personen kennen lernen, mehr über sie wissen. Sport Schuster zeigt uns in einer Plakatkampagne, wie Persönlichkeit in der Bildsprache funktioniert.
Für meinen Geschmack sind die Fotos der Schuster-Kampagne fast zu nahe an der perfekten Welt der Stockfotografie.
Eher schleichen sich Bildwelten in unser Herz, die uns nicht unbedingt die geschniegelte, perfekte Welt vorsetzen, sondern realistisch, natürlich und ungeschminkt wirken. Gelungen ist das zum Beispiel dem Münchner Handwerksbetrieb Holzrausch. Hier hat man das Gefühl, man steht mitten in der Werkstatt, riecht das Holz, hört die Maschinen. Und am Ende möchte man sich gern seiner Brotzeit mit an den Pausentisch setzen. Das ist Flauschgefühl pur.
Wie gelingt sie nun, die emotionale Bildsprache? Hier einige Tipps und Anregungen:
Unperfekt – das ist realistisch und zieht uns an
Wir sind Menschen, wie uns die Natur erschaffen hat. Nicht perfekt, keine faltenlosen Wesen, strahlen unsere Kunden nicht ständig mit makellos weißen Zähnen an. Sondern haben halt Angela Merkel Mundwinkel, krumme Nasen, zu kurze Beine, Bierbäuche, Bad-Hair-Day-Frisuren, einen Tomatenfleck auf der Bluse vom Mittagessen. Werden in der Bildsprache unperfekte Fotos eingesetzt, ist uns das auf Anhieb sympathisch. Denn sie spielgeln das wahre Leben wieder. Beispiele findet man zum Beispiel hier bei Plainpicture.
Einfachheit siegt
Emotionale Bildsprache muss einfach und schnörkellos sein, damit sie wirkt. Diese Kampagne des Hallenbads Ismaning bei München zeigt Freude, Spaß, Wohlfühlen im Wasser. Die Bildinhalte sind reduziert, sind Closeups von Schwimmern. Einfach, ruhig und pur.
Schöne alte Zeit - Griff in die Fotokiste oder ins Archiv
Tradition, Handarbeit, lange am Markt: Wie kann man das besser rüberbringen als mit Bildern aus der guten alten Zeit? Die Münchner Bäckerei Zöttl und die Paulaner Brauerei machen es vor: Die Bildsprache vermittelt uns pures Flauschgefühl – gerade weil für jede Generation ein Motiv dabei ist. Bei der Zöttl Kampagne wurden echte Motive aus den privaten Fotokisten der Mitarbeiter eingesetzt. Auch bei Paulaner fand man wohl alte Bilder im Archiv und setzte sie für eine Werbekampagne ein.
Kindchenschema wirkt immer
Liebe und Geborgenheit: Ein klasse Thema für die Bildsprache. Babys, Kinder und Tiere funktionieren immer. Grade bei technischen Themen. Wir wollen keine Blockheizkraftwerke mit allen technischen Details sehen. Brrr, Technik, die soll im Keller stehen. Wir fühlen uns magisch angezogen von Familien, die im warmen vor dem bullernden Kamin auf einem flauschigen Teppich herumtollen.
Doch Vorsicht: Nicht übertreiben mit Kinder- und Tierfotos, die werden grade inflationär eingesetzt. Lange können wir die nicht mehr sehen. Ist nicht grade frische, trendige Bildsprache, sondern im Bereich „gut abgehangen“.
Intelligent und zielgruppengerecht
Beeindruckt uns die Bildsprache, ist sie meistens witzig oder intelligent. Noch besser: beides. Zu überraschen heißt: Mal quer denken, nicht das zu zeigen, was die Zielgruppe erwarten würde. Wichtig ist natürlich, seine Zielgruppe gut zu kennen. Wie denkt sie? Wie tickt sie? Welches Wertesystem verfolgt sie? Welche Erwartungen hat sie hinsichtlich Qualität, Service und anderen Kriterien? Wo informiert sie sich? Sind Unternehmen die Zielgruppe, dann an die Person denken, die die Kaufentscheidung trifft. Wir sind alle nur Menschen, werden alle gern unterhalten und bespaßt.
Zum Beispiel kann man technische Vorzüge gut zeigen, indem man Elemente oder Situationen aus einem anderen Bereich adaptiert. Da funktionieren Oberflächen, fliegende Hummeln, Wasser, Pusteblumen, ganz einfache Dinge, wie ein Hühnerei oder ein Weizenhalm für Stabilität. Halten Sie mal die Augen offen. Einer meiner absoluten Favoriten ist ein Werbespot von Merceces Benz, in dem Hühner die Hauptrolle spielen.
Storytelling - wenn Bilder zum Lesen einladen
Emotionale Bilder sind die Pflicht, die Kür hingegen ist Storytelling. Also mit Bildinhalten nicht nur einzelne Momente zeigen, sondern ganze Geschichten rund um die Marke erzählen. Storytelling gelingt, wenn die Geschichten spannend, verständlich und dramaturgisch gut in Szene gesetzt werden. SAP hat mit Unterstützung von FAZ Media Solutions eine tolle Kampagne entwickelt: Digitale Passionen. Die Geschäftführer ausgewählter Mittelstands-Kunden wurden mit ihren Leidenschaften portraitiert und nebenbei zum Thema Digitalisierung befragt. Entstanden sind glaubwürdige Geschichten und Bilder, die zum Lesen einladen und um einiges interessanter sind, als die übliche Darstellung von Softwarelösungen und Technologiethemen.
Weitere gute Beispiele finden sich im Guide "Digitales Storytelling" der FAZ. Laut FAZ beschäftigen sich Kunden aktiv mit den Inhalten von gelungenen Content Marketing Strategien.
Bildrecherche – auf der Suche nach Emotionen
Nun hat nicht jedes Unternehmen alte Bilder oder Aufnahmen von Mitarbeitern im Archiv. Oft muss - aus welchen Gründen auch immer - zu Stockfotos gegriffen werden. Hier helfen teilweise die Bildagentur-Anbieter mit vorbereiteten Lightboxen zu verschiedenen emotionalen Themen. Shutterstock informiert über Trends oder bietet Sammlungen für emotionale Themen. Getty gibt hier zum Beispiel Tipps wie technische Themen ohne Technik bebildert werden können.
Wirken die Bilder in den Stockdatenbanken immer noch zu gestellt? Trotzdem lohnt es sich, dort zu recherchieren und eigene Leuchtkästen anzulegen. Denn man kann sich gute Anregungen holen und die Szenen im eigenen Unternehmen durch Fotoshootings ähnlich - aber authentischer - umsetzen oder auf andere Motive übertragen.
meine Empfehlung: Photocase - einfach anders
Die Fotos der Berliner Bildagentur Photocase sind stimmungsvoll, ungeschminkt, unperfekt und überraschend anders. „Wir glauben an eine lebensnahe, authentische, ästhetische, frische und faire Stockfotografie,“ so die Agenturgründer. Und das ziehen sie seit Jahren konsequent durch.
Um hier die passenden Fotos für eine durchgängige Bildsprache zu finden, braucht es allerdings viel Kreativität und die Fähigkeit, mal um die Ecke zu denken.
Fazit
Es muss "menscheln". Nicht nur am Wochenmarkt oder am Stammtsich. Auch in der Marketingkommunikation. Die eingesetzten Bilder und Bildwelten dürfen und sollen Emotionen wecken, Gefühle ansprechen oder uns in eine andere Stimmung versetzen. Denn das schafft innerhalb weniger Sekunden kein Medium so gut wie Bilder. Ob Fotos, Illustrationen oder Bewegtbilder. Bildwelten, die ein Wohlfühlklima schaffen und zudem noch authentisch, echt, glaubhaft und vertrauenserweckend sind, sprechen das Unterbewusstsein ganz besonders an.