Eingerahmt! Warum Content-Marketing unbedingt gute Bilder braucht - 10 Fragen an Johannes Kühner

Foto im Rahmen: Mirko Krenzel, Hintergrund: iStockphoto

Foto im Rahmen: Mirko Krenzel, Hintergrund: iStockphoto

"Dafür haben wir nur ein kleines Budget." Eine Aussage, die ich leider oft zu hören bekomme, wenn es um die Bildbeschaffung für Broschüren, Webseiten oder andere Grafikprojekte geht. "Wir haben für die alte Website einige Fotolia-Bilder gekauft, die können wir doch wieder verwenden, oder?" Nicht nur Solopreneure, auch das Marketing in großen Firmen fragt mich: "Es gibt doch so viele kostenlosen Bilddatenbanken, können wir da nicht suchen?"

Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum Bilder fürs Content-Marketing eigentlich nichts kosten dürfen, begegne ich im Web dem Fotojournalisten und Bloggerkollegen Johnannes Kühner. Er hat meine Bitte nach einem Gastbeitrag ganz spontan mit JA beantwortet und ich freue mich, dass er im August 2018 Gesprächspartner in meiner Interviewserie "Eingerahmt" ist.


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Als Fotojournalist und Experte für Storytelling und Content Marketing arbeitest Du mit Bildern und Texten. Und berätst Unternehmen beim Aufbau von Corporate Blogs, Magazinen und sozialen Medien. Dabei schaust Du Dir immer wieder kritisch einige Beispiele an. Warum holen uns reine „Über uns“- und „Leistungen“-Seiten nicht mehr ab? Was funktioniert, was nicht, um die Leser und Zielgruppen zu erreichen?


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Seiten wie „Über uns“ und „Leistungen“ sind in der Regel – wie der Name schon sagt – eine selbstbezogene Leistungsschau. Das ist zwar nach wie vor wichtig – allerdings erst dann, wenn sich ein potenzieller Kunde intensiver mit einem Unternehmen beschäftigen möchte.

Zuvor muss ein Unternehmen aber erst einmal die Aufmerksamkeit eines Kunden gewinnen. Mit Eigenwerbung funktioniert das nicht. Schlimmer noch: Kunden fühlen sich von Werbung sogar genervt. Der Erfolg von Adblockern ist ein deutliches Indiz dafür.

Content-Marketing geht den umgekehrten Weg: Am Anfang steht nicht das Unternehmen und auch nicht sein Angebot, sondern die Fragen und Probleme der Kunden: Was interessiert sie, was suchen sie, welche Hilfe brauchen sie? Unternehmen überlegen dann, inwieweit sie die Antworten auf diese Fragen liefern können. Wenn ein Kunde jetzt – sei es über ein Kundenmagazin oder eine Google-Suche – eine Antwort auf seine Frage bekommt, dann nimmt er sie als Hilfe an – selbst wenn sie von einem Unternehmen stammt. Auch das ist also Werbung – allerdings unaufdringlich durch die Hintertür: Marketing mit Hilfe von Content nach journalistischen Kriterien.


Was meinst Du mit „journalistischen Kriterien“?


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Journalisten – und da schließe ich Fotojournalisten mit ein – haben gelernt, wie sie Informationen in lesens- und sehenswerten Reportagen, Interviews und Ratgebern verpacken. Stichwort: Storytelling. Sie wissen zu recherchieren und nach Relevanz zu sortieren. Allerdings sind Journalisten, die für Unternehmen schreiben und fotografieren, natürlich nicht unabhängig. Deshalb sage ich bewusst „journalistische Kriterien“ und nicht „journalistische Standards“. Content-Marketing bedeutet nun mal, sich mit Marketing-Aspekten des Schreibens und Fotografierens auseinanderzusetzen, damit Texte und Fotos dabei helfen, eine konkrete Vorgabe zu erfüllen. Das kann nicht unabhängig sein und muss es auch nicht.


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Welche Wirkung haben insbesondere die Bilder auf den Leser, welche Rolle spielen sie für den Corporate Content?


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Die Bedeutung von Bildern ist immens. Sie sind das erste, was einem Leser ins Auge fällt. Ein einziger Blick genügt, um festzustellen: „Das Thema interessiert mich – ich lese oder klicke weiter“ oder „Das Bild berührt mich nicht – ich blättere oder scrolle weiter“. Aber: Angesichts der Vielzahl an Fotos, die wir jeden Tag sehen, führen nur gute Fotos zum Erfolg, sprich: zum Klick.


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Was verstehst Du unter „guter Fotografie“?


Gute Fotos sind authentisch, gut beobachtet und wecken Emotionen. Heißt: Der Fotograf mischt sich nicht ins Geschehen ein, und wenn er es doch tut – zum Beispiel bei Porträts –, dann achtet er auf realitätsnahe Situationen. Dein Vergleich der Kampagnen der Berliner Verkehrsbetriebe und der Münchner Verkehrsbetriebe bringt es gut auf den Punkt. Berlin: authentisch: München: überhaupt nicht authentisch.


Wie hat sich die Bildkommunikation der Unternehmen durch das immens große Angebot an kostenlosen und kostengünstigen Stockfotos verändert? 


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Leider zum Negativen. Kostenlos oder kostengünstig sind diese Fotos ja nur, weil sie ohne große Kosten fotografiert werden konnten, dem Mainstream folgen und deshalb austauschbar sind. Austauschbar heißt zugleich, sie wecken weniger Interesse.

Fotograf und Autor Kenneth Jarecke hat dazu in seinem Text „Was passiert ist, als Redaktionen den Fotojournalismus einstellten“ eine passende Erwiderung: „Nicht die Käufer sind schuld, wenn sie Euch links liegen lassen. Nicht Euer Logo oder Eure Marke hat Leser angezogen, sondern was ihr ihnen auf Euren Seiten angeboten habt. Es funktioniert schlicht nicht, ansprechende Inhalte von weniger talentierten Leuten produzieren zu lassen.“

Sind Käufer erst einmal weg, ist ihr Interesse also nicht befriedigt worden, haben sie keinen Grund, zurückzukehren.


Aber Fotografie ist ja nur ein Teil einer Content-Marketing-Aktion. Macht sich der Fotograf da nicht wichtiger, als er ist?


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Klar: Fotos sind neben Text, Videos und Grafiken nur ein Element. Aber eben ein wichtiges: Artikel, die mit packenden und passenden Bildern gestaltet sind, haben acht bis zehn Prozent mehr Leser. Bildstrecken werden sogar noch länger betrachtet, zugehörige Artikel noch häufiger gelesen.

Auch ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass ich eine immer gleiche Anzeige auf Facebook überblättert habe, weil mich das zugehörige Bild einfach nicht angesprochen hat. Nur die Penetranz der Anzeige, die über eine Woche lang immer wieder in meiner Timeline auftauchte, verführte mich dann doch mal zum Lesen der Überschrift zum Foto – und ich stellte fest, dass mich der Inhalt eigentlich wirklich interessierte. Mit einem besseren Foto hätte mich das Unternehmen schon beim ersten Mal erreicht. Das zeigt, wie wichtig Fotos sind, damit ein Text überhaupt auffällt.


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Was wird aus Deiner Sicht im Zusammenspiel mit Bild und Text oft falsch oder halbherzig gemacht? 


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Auf Texte verwenden Unternehmen viel Zeit und Budget. Fotos hingegen sind häufig nur Beiwerk – auch in Sachen Budget. Fotografie war schon immer ein teures Element im journalistischen Umfeld. Da kommen Unternehmen schnell in die Versuchung, an dieser Stelle zu sparen und kostenlose Fotos zu verwenden. Dabei kosten Bildrecherche, Bildkonzept, individuelle Fotografie, Bildbearbeitung, Bildauswahl genauso viel Zeit wie die Erstellung und Überarbeitung eines guten Textes.

Der große Fehler, den viele Unternehmen also machen: Sie schenken Text und Bild nicht die gleiche Aufmerksamkeit.


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Warum sparen sogar große Unternehmen beim Budget für gute Bilder und warum geht das in die falsche Richtung?


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Weil sie vermutlich denken, durch Fotografie könnten sie ihre Kernbotschaft nicht loswerden. Im ersten Moment mag das sogar stimmen: Ein Einzelfoto ist nicht in der Lage, vielfältige Botschaften zu vermitteln. Es macht aber klar, worum es in einem Text geht, macht neugierig durch Emotion und ist sozusagen der Türöffner, also der Schlüssel zum Text, in dem die Kernbotschaft steckt. Ohne den Schlüssel bleibt die Botschaft im Verborgenen.

Und wo ein Bild nicht reicht für eine komplette Botschaft: Wie wäre es mit einer Fotoreportage? Sie ist visuell, emotional und schafft es in ihrer Gesamtheit durchaus, eine Botschaft facettenreich zu vermitteln – noch dazu in kurzen Häppchen, die in unseren schnelllebigen Zeiten ohnehin erfolgreicher sind als extrem lange Texte. Auch hier nochmal ein Zitat von Kenneth Jarecke: Ist der Käufer erst mal weg, gebt Ihr ihm keinen Grund, zurückzukehren.


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Hast Du abschließend einige Tipps für Unternehmen, die ihre eigenen Copororate Blogs oder andere Medien selbst erstellen und pflegen? 


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Es ist wie mit allem: Wenn Unternehmen ihre eigenen Blogs oder andere Medien erstellen, dann sollten sie auch die Kompetenz dafür im Haus haben oder sich Expertise von außen holen. Es reicht nicht, einen PR-Mitarbeiter auch auf den Blog anzusetzen, weil PR-Mitarbeiter ganz anders arbeiten und ganz andere Ziele haben als ein Content-Manager. Würde eine Braut sich einem Friseur anvertrauen, der ansonsten eigentlich nur Herren die Haare schneidet?

Wer kein Budget für Fotos hat, dem stelle ich zwei Gegenfragen: Wirklich? Und warum nicht? Wer begrenzte Ressourcen hat, sollte nicht in zu großen Dimensionen denken. Lieber weniger, aber gut! Und wer trotz allem mit kostenlosen Fotos arbeiten will, der sollte sich bewusst machen, dass die Recherche nach einigermaßen guten Fotos in vielen verschiedenen Bilddatenbanken viel Zeit kostet und damit Personalkosten nach sich zieht. Außerdem sollte man sich dann keine allzu großen Ziele setzen.


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Die zehnte und letzte Frage ist mehr eine Bitte: Stell Dich unseren Lesern doch kurz vor.


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Gern. Spätestens nach meinem Physik-Abitur (zwei Punkte) war für mich klar: Technische Berufe sollen lieber andere machen. Letztlich landete ich – gebürtiger Schwabe, Jahrgang 1982 – als Redakteur bei einer Tageszeitung und brachte meine Leidenschaft für Text und Bild mit einem anschließenden Fotojournalismus-Studium auf einen gemeinsamen Nenner. Seit 2013 habe ich bei der Hannoveraner Content-Marketing-Agentur „publish!“ ein Auge darauf, dass sich Unternehmensmagazine und Corporate Blogs an journalistischen Kriterien messen lassen können. Über die Vorteile dieser gängigen Strategie im Content-Marketing schreibe ich auf dem Agentur-Blog und bei Twitter .

Parallel dazu überarbeite ich seit Ewigkeiten meine eigene Text- und Fotografie-Website. Wenn ich es tatsächlich in den nächsten zwölf Monaten mal schaffen sollte, die alte nicht-smartphone-kompatible Seite durch die Neue zu ersetzen, werde ich das sicher auch in sozialen Medien posten: Twitter, Xing, Linkedin.

Ansonsten bin ich leidenschaftlicher Radfahrer (mein Ziel, in diesem Jahr kein einziges Mal die Straßenbahn benutzen zu müssen, habe ich wegen einer Verletzung leider verpasst), Volleyballer (da sind meine zwei Meter Körpergröße mal von Vorteil) und Rucksackreisender (wobei sich das mit Familiennachwuchs nun erst einmal etwas ändern wird).


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Lieber Johannes, danke Dir für das wunderbare Interview und die vielen Links zu den wertvollen Blogbeiträgen.

Es ist zu hoffen, dass Unternehmen erkennen, dass Investitionen in Bilder und Bildkommunikation mindestens genauso wichtig ist, wie in gute Texte. Zumindest habe ich das Gefühl, so langsam eine Trendwende zu erkennen. 

Wer noch mehr zum Thema lesen will: Hier habe ich einen Beitrag auf Eurem Agentur-Blog entdeckt, der gut zum Thema passt und sehr erfrischend geschrieben ist.